6.1 Forschungen zur Archäologie der Kelten und Römer zwischen Wadrill- und Löstertal
Prof. Dr. Alfred Haffner, Pluwig (2019)
Seit den frühen 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist die Region Wadrill-Oberlöstern ein Schwerpunkt archäologischer Forschung im Saarland. Besonders ergebnisreich waren die Prospektions-, Ausgrabungs- und Publikationsaktivitäten der letzten drei Jahrzehnte beiderseits des alten, etwa 7 km langen Höhenwegs zwischen Wadrill- und Lösterbachtal, der vom Wederner „Fahrwald“ über den Gehweilerer „Preußenkopf“, den Oberlösterner/Gehweilerer „Rehkopf“ bis hin zum Sitzerather Walddistrikt „Im Erker“ führt.


- Scheiterhaufengrab im Fahrwald
Beginnen wir unsere kleine archäologische Höhenweg-Wanderung im „Fahrwald“. Nahe dem trigonometrischen Punkt 330,4 NN ist auf der topographischen Karte 1: 25 000 das Kürzel K.D. = Kulturdenkmal eingetragen; es steht für eine kleine keltische Grabhügelnekropole. 1874 wurden hier drei von 12 Hügelgräbern der kulturell keltisch geprägten Hunsrück-Eifel-Kultur (= HEK, ca. 700-260/50 v. Chr.) von Mitgliedern der Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier mehr schlecht als recht „durchgraben“. Entdeckt wurden unter den Hügelaufschüttungen zwei Körpergräber, das heißt, die Verstorbenen wurden unverbrannt bestattet, sowie ein sogenanntes Scheiterhaufengrab, was bedeutet, dass der oder die Tote auf einem Scheiterhaufen eingeäschert und anschließend über der Brandfläche der Hügel aufgeschüttet worden ist. Die Skelette der Toten aus den Körpergräbern sind nicht erhalten geblieben, sie sind in den extrem kalkarmen Böden der Region nach ein, zwei Jahrhunderten nicht mehr nachweisbar. Zur Beigabenausstattung der Wederner Gräber gehörten ein Schwert, eine Lanzen- oder Speerspitze, ein Tranchiermesser, alles aus Eisen, sowie mindestens vier Tongefäße. Erfreulicherweise hatten die Ausgräber von 1874 die Fundstücke skizziert; sie zeigen an, dass die hier bestatteten keltischen „Ur-Wederner“ in den Jahrzehnten um 400 v. Chr. gelebt haben.


Friedhof Preußenkopf (2)
Nach etwa 20 Minuten Fußmarsch in Richtung Preußenkopf erreichen wir im Grenzbereich der Gemarkungen Gehweiler und Oberlöstern einen weiteren Bestattungsplatz der Hunsrück-Eifel-Kultur auf den Fluren „Auf“ bzw. „Unter den drei Knuppen“. Walter Reinhard berichtet in seinem Buch „Die Kelten im Saarland“ auf S. 149: „Die Entdeckung ist dem Heimatforscher und Vertrauensmann des Landesdenkmalamtes Markus Greten zu verdanken. Mit geradezu detektivischem Spürsinn ortete er mittels Metalldetektor am Samstag, dem 4. Oktober 1997, in dem brachliegenden weitläufigen Ackergelände die Bruchstücke einer etruskischen Bronzeschnabelkanne. Auf die Spur hatten ihn die Gewann-Bezeichnungen „Unter den drei Knuppen“ bzw. „Auf den drei Knuppen“ gebracht, wobei er von „Knuppen“ auf Kuppen bzw. Grabhügel schloss. Anscheinend waren bei Erstellung der Katasterkarte noch mindestens drei Grabhügel deutlich sichtbar gewesen.
Mittels geomagnetischer Prospektion und Ausgrabung wurden zwischen 1998 und 2002 unter Leitung von Walter Reinhard vom saarländischen Landesamt für Denkmalpflege neun Grabhügel der Jüngeren HEK (480/70-260/50 v. Chr.) und ein Brandgrab der Trevererkultur (zw. 260/50 und Chr. Geb.) untersucht.


Zwei der Grabhügel wurden in ihrer ursprünglichen Größe nach Abschluss der Grabung rekonstruiert und damit für den Wanderer wieder erlebbar gemacht. Aus meiner Sicht ist die Untersuchung der HEK-Hügelnekropole vom Preußenkopf eine der ergebnisreichsten der letzten drei bis vier Jahrzehnte und dies trotz Einebnung aller Hügel und partieller Zerstörung von Gräbern und Beigaben der Toten durch Ackerbau und damit verbundener Erosion. Die von Markus Greten entdeckte Bronzekanne (s. Seite …) erwies sich als beim Pflügen schon über den Grabkammerrand hinaus verlagert; weitere für diesen Grabtyp an sich zu erwartende Beigaben wie ein Schwert und Lanzen- oder Speerspitzen dürften schon früher durch den Pflug herausgerissen und verloren gegangen sein. Wie nicht anders zu erwarten gehörte die Kanne zusammen mit einem hohen weitbauchigen Tongefäß und einem mit Goldblechscheibchen geschmückten Trinkhorn zum Festgelage-Service eines erwachsenen Mannes, zweifellos einem Mitglied der aristokratischen Führungsschicht der frühen Kelten im Hochwald. Weitere Indizien seines hohen sozialen Ranges sind eine mit Steinen umpackte 2,80 x 2 m große Grabkammer aus Holz, eine einzigartig reich mit roter Koralle geschmückte Bronzefibel sowie ein arbeits- und materialaufwändiges Grabmonument in Gestalt eines ursprünglich etwa 2-3 m hohen Erdhügels mit bekrönender Grabstele aus Holz oder Stein, umfriedet von einem ca. 1 m breiten und etwa 1 m tiefen Kreisgraben mit einem inneren Durchmesser von 16 m.
Sechs der Grabhügel waren innerhalb von Umfriedungsstrukturen zur Abgrenzung des profanen vom sakralen Bereich aufgeschüttet worden, davon vier mit kreisförmig und zwei mit quadratisch angelegen Gräben oder Pfostenstellungen, letztere unser Wissen über keltisches Totenbrauchtum bereichernde Raritäten. Nur eine von insgesamt 11 Bestattungen, die einer erwachsenen Frau aus Hügel 5, war dank einer tief im anstehenden Boden angelegten, mit Steinen umpackten Grabkammer ungestört geblieben.



Ihr Gewand wurde von zwei Eisenfibeln im Schlüsselbeinbereich zusammengehalten. Der im Tode getragener Schmuck war ein mit floralen Motiven des Frühen Stils der keltischen Kunst verzierter Bronzehalsring, ein schlichter eiserner Halsring, ein ursprünglich silbern glänzender Oberarmring aus Zinn, zwei bronzene Unterarmringe mit sogenannter Knotenzier, ein schlichter Fingerring aus Zinn und zwei maskenverzierte Fußringe aus Bronze. Die Graphikerin Carmen Kessler hat – beraten von W. Reinhard – ein lebensnahes Bildnis der zwischen 380/70 und 350 v. Chr. verstorbenen Frau entworfen. Sie hat, wie Sabine Hornung in dem in Kürze erscheinenden Buch über Forschungen in der Region Oberlöstern anmerkt einer „ortsansässigen lokalen Führungsschicht“ angehört und stammte höchstwahrscheinlich aus demselben Familienclan wie der Krieger aus Hügel 1, die Schwertträger der Hügel 4 und 8 und die vier im Tode bronzenen Ringschmuck tragenden Frauen des Hügels 7.
Das schon erwähnte Brandgrab der frühen Trevererkultur datiert in die Zeit zwischen 250 u. 200 v. Chr. Entdeckt wurden in einer Tiefe von nur 30 cm eine weitmündige Tonschale, in der die Hinterbliebenen den Leichenbrand, eine große Eisenfibel und ein 17 cm langes Ringgriffmesser deponiert hatten.


Die durch die Einäscherung kalzinierten und damit haltbar und anthropologisch bestimmbar gewordenen Knochenreste gehörten zu einer 20-40 Jahre alt gewordenen Person mit der schwach ausgeprägten Tendenz Frau. Sie lebte in einer Zeit, in der die Hügelgrabsitte allmählich aufgegeben wird, die Brand- und Flachgrabsitte zu dominieren beginnt, eine Zeit des kulturellen, gesellschaftlichen und ökonomischen Umbruchs, wahrscheinlich verbunden mit einer Teilabwanderung der Bevölkerung der HEK und zahlreicher anderer keltischer Volksgruppen in Richtung Süden oder Osten Europas. Aus der im Lande verbliebenen Bevölkerung entwickelte sich in relativ kurzer Zeit der große keltische Stamm der Treverer, den C. J. Caesar schon gleich zu Beginn seiner Eroberungsfeldzüge in Gallien im Jahre 58 v. Chr. kennenlernte.
- Der Tempel in der Nähe der Bruder-Klaus-Kapelle („Auf dem Kopf“) (3)
Unsere archäologische Wanderung führt uns weiter über den Holländer Kopf bis zur Höhe im Bereich der Flur „Auf dem Kopf“ bzw. “Ober der Dasheck“, wo sich unser vom Fahrwald kommender Höhenweg mit dem Weg von Oberlöstern nach Gehweiler kreuzt, auch dies eine alte bis in die Zeit der HEK zurückzuverfolgende Wegetrasse. Etwas südlich der Kreuzung – ca. 150 m vor der Bruder-Klaus-Kapelle – wurde beiderseits der Gemarkungsgrenze von Gehweiler und Oberlöstern zwischen 1995 und 1997 ein römisches Heiligtum, ein sog. gallo-römischer Umgangstempel ausgegraben mit zentraler quadratischer Cella (Hauptraum mit Götterstatue) und einem gleichfalls quadratischen Säulenumgang, ein Tempeltyp wie er vor allem in Gallien dominierend gewesen ist. Der archäologische Befund des Tempels von Gehweiler/Oberlöstern ist bislang nur aus Vorberichten ersichtlich.

Danach hatte der in Stein errichtete Tempel einen spätkeltischen Vorgängerbau in Holzbauweise, im Verlauf des 1. Jahrhunderts n. Chr. wurde dann die Cella errichtet und zuletzt in einer dritten Bauphase der Umgang, ein Bauprocedere wie es auch in dem großen Tempelbezirk auf dem Martberg von Pommern-Karden an der Untermosel beobachtet werden konnte. (Foto: Nachbau eines typischen gallo-römischen Tempels mit Cella und Umgang auf dem Martberg bei Pommern an der Mosel (Nach Martin Thoma 2006, Umschlagbild)
Das archäologische Fundgut des Tempels „Ober dem „Dasheck“, darunter keltische und römische Münzen, weist darauf hin, dass hier, beginnend wenige Jahrzehnte v. Chr., über zwei Jahrhunderte Gaben an die Götter geopfert worden sind.
- Großgrabhügel und Villa rustica bei Oberlöstern (4)
Schaut man vom Standort des Tempels aus in Richtung Oberlöstern, so erblickt man ca. 400 m hangabwärts rechts des Weges auf der Flur „Dasheck“ zwei rekonstruierte Großgrabhügel mit Umfassungsmauer und Stelenbekrönung des 2. Jahrhunderts n. Chr. Das Baumaterial stammt aus den nahe gelegenen Steinbrüchen von Oberlöstern („Schlittchen“). Nicht rekonstruiert ist ein ursprünglich genau mittig zwischen den Hügelmonumenten hoch aufragender Grabpfeiler mit Reliefdarstellungen zweier Verstorbener, wahrscheinlich eines Ehepaars. Von der Namensinschrift blieb nur ein Fragment erhalten. Der Standort der drei weithin sichtbaren Monumente markiert einen großflächig angelegten, nur unvollständig untersuchten gallo-römischen Friedhof, auf dem von der 2. Hälfte des 1. bis in das 3. Jahrhundert bestattet worden ist. Hier wurden die Verstorbenen eingeäschert und bestattet, hier wurden auch die Überreste von Totenmahlen und Gedenkfeiern in Gruben „beigesetzt“. Eine umfassende Bearbeitung der „Dasheck“-Nekropole durch Sandra Schröer und Timo Lang findet sich in der von Sabine Hornung herausgegebenen Publikation.


Die auf „Dasheck“ Bestatteten waren die Bewohner der auf der nahe gelegenen Flur „Honigsack“ entdeckten römischen Villa rustica, zu der außer dem über 50 m langen und fast 40 m breiten Wohngebäude auch mehrere kleinere Nebengebäude gehörten. Nahe der Villa auf den Fluren „Sengelheck“ und „Spießfeld“ wurde zudem eine noch in Holzbauweise errichtete Vorgängersiedlung der Villa rustica entdeckt mit einer Siedelkontinuität von spätkeltischer bis frührömische Zeit. Diese Siedlung, die Villa rustica, die römerzeitliche Nekropole mit aufwändigen Grabmonumenten und der gallo-römische Tempel sind der archäologische Nachweis eines Familienclans mit keltisch-treverischen Wurzeln, dessen Wohlstand auf Landwirtschaft, dem Besitz von Steinbrüchen und dem Handel mit Steinbruchprodukten wie z. B. Mahlsteinen basierte.
- Ein Blick nach Reidelbach (und zum „Hunnenring“)
Zurück zum Standort des gallo-römischen Tempels nahe der Wegekreuzung. Von hier aus hat man einen eindrucksvollen Weitblick in Richtung Reidelbach und Wadriller Alm. Bei Ausschachtungsarbeiten östlich der Kapelle von Reidelbach entdeckte man zwischen 1904 und 1917 im leicht nach Süden abfallendem Gelände römische Brandgräber des 1. Jahrhunderts n. Chr., Gräber aus spätrömischer und merowingischer Zeit. Oberhalb des Gräberfeldes soll Mauerwerk einer römischen Villa freigelegt worden sein. Nach derzeitigem Forschungsstand wurde im Bereich Reidelbacher Hof von spätkeltischer bis in frühmittelalterliche Zeit gesiedelt. Das Mauerwerk deutet auf eine einfache Villa rustica hin.

Man kann ihn zwar von hier nicht sehen, aber er ist nur ca. 8 km Luftlinie Richtung NO entfernt: Der keltische Ringwall („Hunnenring“) auf den Dollberg bei Otzenhausen, eine aufwändig befestigte Großsiedlung mit Zentralfunktion vom 4. bis zur Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr.
- Die Tumuli auf Addail
Nordwestlich der Wadriller Alm liegt im Walddistrikt „Harteich“ eine kleine Grabhügelgruppe, auf der topographischen Karte 1:50 000 als Kulturdenkmal markiert. Erstmals auf einer Karte zu finden ist das Gräberfeld auf dem geologischen Messtischblatt Nr. 28 Wadern von 1887 mit der Anmerkung „Tumuli auf dem Heidenberg“. (Tumulus = Hügelgrab).

Wolfgang Dehn, Archäologe am Rheinischen Landesmuseum Trier, besichtigte 1935 den Fundplatz. In den Ortsakten heißt es unter Wadrill „Atteil“: „Fünf mächtige Grabhügel im Feld, einer … zeigt oben eine leichte Mulde, hier hat man – nach Mitteilung des Ortsbürgermeisters – Steine herausgeholt“. Vom Bürgermeister erfuhr Dehn auch, dass auf „Atteil“ „der König Etzel begraben sei“. Etzel ist die germanische Namensversion von Attila im Nibelungenlied.
Den Kurzbericht hat Dehn mit Fotos der Hügel 2 u. 3 und einer Planskizze ergänzt.


Grabhügel 3 und 2 auf der Flur „Addail“ in Nahaufnahme von NW. (Fotos Wolfgang Dehn, 1935). Der heute bewaldete Distrikt war Anfang der 1930er gerodet und bis in die 1950er Jahre intensiv landwirtschaftlich genutzt worden („Nau Land“)
19 Jahre später hat Eduard Schuh, Leiter der Volksschule Wadrill, auf Anweisung des Kreisschulamtes zusammen mit seinen Schülern das Gräberfeld erforscht und in Unkenntnis des Berichts von Dehn folgendes Protokoll verfasst:
„Grabanlage auf dem Addail: Da wahrscheinlich keine genaue Beschreibung dieser Grabanlage vorliegt, habe ich mit der Oberklasse eine eingehende Ortsbesichtigung durchgeführt. Lage: nordwestlich von Wadrill, Meßtischblatt 6407 Wadern Planquadrat 62/95. Gewann Harteich, trigonometrischer Punkt 497,0; hart westlich der Straße nach Kell auf der Anhöhe. Aussehen: Drei kreisförmige, sanft kuppige Erhebungen von Südwesten nach Nordosten streichend (Hochwaldkamm), von denen der mittlere am höchsten ist. Die Aussicht von dort ist wunderschön, da sich die drei Hügel am Scheitelpunkt „Addail“ vor der sanften Südneigung erheben. Gesamtlänge der Anlage 92 m bei einer Tiefe von 25 m. Überhöhung des westlichen Hügels über dem normalen Bodenprofil etwa 2 m, des mittleren 3 m, des westlichen 2,5 m. Fast genau an der Berührungsstelle zwischen dem westlichen und mittleren Hügel befindet sich der Ortstein für den trigonometrischen Punkt. Bei der weiteren Durchstöberung des Geländes durch die Schüler wurde in 50 m Entfernung eine weitere ähnliche Erhebung ausgemacht. Als ich den dortigen 12 m hohen Hochsitz erstieg, stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass diese 4. Kuppe am Rande der Lohhecke an ihrem höchsten Punkt sich genau in der Fluchtlinie der drei bekannten Grabhügel einpasst. Der Volksmund erzählt, dass dort der König Attila („Addail“) in dem berühmten dreifachen Sarg begraben liege. Meines Wissens sind auch schon zwei Grabungsversuche vor ca. 70 Jahren von Unberufenen erfolglos versucht worden. Da die gesamte Fläche kürzlich neu kultiviert wurde, wäre eine baldige Eröffnung empfehlenswert“.
Beide Berichte ergänzen sich, belegen aber auch, wie sehr die Grabmonumente auf der Flur Addail bzw. Harteich bzw. Heidenberg – und dies gilt für viele weitere nicht professionell untersuchte – durch Rodung, Umwandlung in Ackerland, Tiefpflügen, Wiederaufforstung, nicht zuletzt aber auch durch Raubgräber gefährdet waren und sind. Heutzutage liegen die Hügelgräber der Flur „Addail“ im Wald der Wadriller Gehöferschaft und werden, wie ich hoffe, bestens von deren Mitgliedern beschützt.
Die Grabhügel auf „Addail“ sind mit hoher Wahrscheinlichkeit eisenzeitlich zu datieren und Zeugnisse keltischen Totenbrauchtums zur Zeit der Hunsrück-Eifel-Kultur. Weitere Grabhügelfelder außerhalb der Gemarkung weisen darauf hin, dass sie zu einer größeren Bestattungs- und Siedlungsgemeinschaft westlich des Wadrilltals gehört haben. Wo deren Siedlungsplätze gelegen haben, ist unbekannt.
- Verborgenes im Wandermichel
Nach diesem Exkurs zu archäologischen Denkmälern westlich des Wadrilltals setzen wir unsere Wanderung auf östlicher Seite des Wadrilltals in Richtung Rehkopf fort. Der Höhenweg ist hier weiterhin auf einer Länge von knapp 1 km die Gemarkungsgrenze zwischen Gehweiler und Oberlöstern. Westlich im Walddistrikt „Wandermichel“ entdeckten meine Frau und ich in den frühen 1960er Jahren im zum Dörrbach hin abfallenden Gelände 21 gut erhaltene Hügelgräber.


Nur ein Hügel war gestört, er war beim Ausgraben eines Fuchsbaus stark durchwühlt worden. Die Hügeldurchmesser liegen zwischen 8 und 15 m, die Höhen zwischen 0,30 u. 1,20 m. Zu derselben Nekropole gehören östlich des Weges auf der Oberlösterner Flur „Jungenwald“ zwei ehemals mächtige, heute jedoch stark verflachte Grabhügel, ein Hinweis, dass hier wie wahrscheinlich auch im „Wandermichel“ der Boden über längere Zeit landwirtschaftlich genutzt worden ist.

Etwa 250 m weiter erreichen wir dann links des Höhenweges einen zwar verflachten, aber noch deutlich erkennbaren, ca. 70 m langen und acht Meter breiten Wall. Im Kontext mit Hügelgrabnekropolen der HEK sind mehrmals solche Dämme oder Wälle beobachtet worden, jedoch immer ohne jegliche Funktion als Befestigung. Zumindest dreimal ist ihre Datierung in die Belegungszeit der Gräberfelder ins 6./5. Jahrhundert v. Chr. nachgewiesen. Ideengeschichtlich werden sie deshalb mit keltischem Totenbrauchtum in Verbindung gebracht. Am Südwestende des Walles stand ein ca. 40 cm hohes, grob aus Sandstein gehauenes Kreuz.
Zwei weitere solche Kreuze sollen beim Wegebau beseitigt worden sein. Wie uns Anna Johann, die Großmutter meiner Frau, erzählte, heißt es in Wadrill und Gehweiler, hier seien einst napoleonische Soldaten beerdigt worden.
- Über den Rehkopf nach Sitzerath
Ungefähr 600 m nordöstlich des Wallendes folgt die nächste Nekropole mit etwa acht stark verflachten, ursprünglich aber großen Grabhügeln, und zwar beiderseits des über den „Rehkopf“ führenden Nord-Süd-Weges. Der am besten erhaltene Hügel liegt westlich des Weges. 200 m weiter nördlich im Distrikt „Forteierwald“ liegen zwei große, verflachte aber eindeutige Grabhügel.
Von hier aus führte der eisenzeitliche Weg ursprünglich weiter bis zu den Sitzerather Gräberfeldern der Hunsrück-Eifel-Kultur und denen der spätkeltischen und frühen gallo-römischen Trevererkultur auf der Flur „Im Erker“. Sein ursprünglicher Verlauf ist jedoch im Bereich des oberen Lohbachtals nicht mehr sicher nachzuweisen, so dass wir hier unsere sechs bis siebenstündige kulturhistorische Wanderung durch schönste Hochwaldlandschaft beenden können.
Zusammenfassung
Auch wenn außer den drei Hügeln der „Fahrwald“- und den neun der „Preußenkopf“- Gruppe keine weiteren untersucht worden sind, so können wir uns doch sicher sein, dass alle diese Grabhügelgruppen entlang unseres Höhenweges zwischen dem Fahrwald und dem Rehkopf zur Zeit der Hunsrück-Eifel-Kultur, somit zwischen 700 und 250 v. Chr., angelegt worden sind. Für die Auftraggeber und Erbauer der römerzeitlichen Grabhügel „Dasheck“ in Oberlöstern könnten die frühkeltischen, in römischer Zeit weit besser als heute erhaltenen Gräber vom „Preußenkopf“ oder vom „Rehkopf“ Vorbild gewesen sein. Im näheren Umfeld der Hügelgruppen ist, wie sich am „Preußenkopf“ und auch andernorts gezeigt hat, mit Gräberfeldern der Treverer zu rechnen. Ob die Menschen der HEK sich selbst als Treverer bezeichneten, wissen wir mangels schriftlicher Überlieferung nicht, auszuschließen ist dies jedoch keineswegs. Wir können uns jedoch sicher sein, die romanisierten Bewohner der Villa rustica „Honigsack“ waren sich, wenn sie sich auf den Weg nach Norden oder Süden zu Fuß, reitend oder fahrend machten, durchaus bewusst, dass in den beiderseits der Straße in dichter Folge noch gut sichtbaren Grabhügeln ihre Vorfahren über lange Zeit bestattet worden waren.
Auf einer meiner Exkursionen in Frankreich habe ich einen gleichfalls von Gräberfeldern und Heiligtümern aus keltischer und römischer Zeit begleiteten Höhenweg im Siedlungsgebiet der keltischen Römer kennen gelernt, der dort wegen der mit Tod, Totengedenken, Gebet und Opfer zu verbindenden Konnotationen als „via sacra“, als heilige Straße, charakterisiert wurde. Sollte der hier beschriebene Höhenweg eines Tages als archäologischer Wanderweg ausgewiesen werden, so könnte dies ein zutreffender Name sein.
Diese kleine Studie zu neueren archäologischen Forschungen zwischen Wadrill- und Löstertal wäre nicht möglich gewesen ohne das fast noch druckfrische Buch von Walter Reinhard „Die Kelten im Saarland“ von 2017 und ohne Einblick in das Manuskript des im Frühjahr diesen Jahres erscheinenden zweibändigen Werks zu „Archäologischen und naturwissenschaftlichen Forschungen in der Region Oberlöstern“ von Sabine Hornung, Andreas Kronz, Helmut Kroll, Manfred Kunter, Sandra Schröer sowie Ayla und Timo Lang.
Für vielfältige Unterstützung danke ich Edith und Sebastian Haffner, Sabine Hornung, Jürgen Merten, Albert Räsch, Walter Reinhard und Thomas Zühmer.
Zum Autor
Alfred Haffner wurde 1938 in Merzig geboren, studierte in Hamburg, München und Saarbrücken Archäologie und promovierte an der Universität des Saarlandes. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Rheinischen Landesmuseum Trier und lehrte als Universitätsprofessor ur- und frühgeschichtliche Archäologie an der Universität Kiel. Er hat Ausgrabungen in Deutschland, Frankreich und im Libanon geleitet bzw. daran teilgenommen und zahlreiche Publikationen zur Archäologie der Kelten und Römer veröffentlicht. Seit einigen Jahren ist er emeritiert und lebt mit seiner Frau Edith, einer gebürtigen Wadrillerin, in Pluwig bei Trier.

