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Der Lauf des Erbsenrades 2024 und früher

Hier der Bericht von Erich Brücker über den Lauf des Erbsenrades am 17.2.2024 (SZ vom 19.2.2024)

Mit einem lauten Zischen war es wieder vorbei

Wadrill · Im Wadrilltal ist nach alter Tradition wieder das brennende Erbsenrad den Hang hinab in den Bach gerollt und hat – so hoffen alle – damit den Winter vertrieben.

 Noch zwei Meter, dann hat das Erbsenrad die Wadrill erreicht und vollendet das Brauchtum mit einem einem lauten Zischen.
Noch zwei Meter, dann hat das Erbsenrad die Wadrill erreicht und vollendet das Brauchtum mit einem einem lauten Zischen. Foto: Erich Brücker

Frühling, Sommer und Herbst können jetzt kommen, der Winter, der bislang eigentlich kein richtiger war, ist seit dem ersten Fastensonntag schon mal vorab vertrieben worden, wobei dessen Verfalldatum in einigen Wochen offiziell erst endet. Zumindest symbolisch ist er im Hochwaldort Wadrilltal auf Eis gelegt.

Die Mitglieder der Heimat- und Naturfreunde haben mit dem traditionellen Lauf des mit Strohballen gewickeltes Erbsenrades nicht nur älteste Vergangenheit, die bis in die Keltenzeit zurückreicht, im Hochwaldort lebendig werden lassen, sondern auch mit der üblichen faszinierenden Zeremonie nach Einbruch der Dämmerung auf der Anhöhe Perscher Kopf wiederum für ein tolles Schauspiel gesorgt, das trotz des regnerischen Wetters viele Schaulustige auf die Anhöhe gelockt hatte.

Das mannshohe brennende Erbsenrad ist von der Anhöhe etwa rund 400 Meter an einer langen Führungsstange von den Vereinsmitgliedern Thomas Steetz, Sebastian Görgen, Moritz Görgen und Maximilian Barth bis in die Wadrill getrieben worden und mit einem lauten Zischen dort erloschen, womit dem Brauchtum Genüge getan wurde.

Das Feuerrad soll als Symbol der Sonne deren Segen über Wiesen, Felder und Äcker bringen und für eine gute Ernte sorgen. „So ist es überliefert worden, und so führen wir diesen uralten Brauch, der bis in die Keltenzeit zurückreicht, schon einige Jahrzehnte durch“, klärte Vereinsvorsitzende Heidi Fandel auf. Der Brauch des Erbsenrades ist die symbolische Verbindung der Urkräfte Sonne, Erde und Wasser des Lebens, deren gemeinsames Wirken für Wachstum sorgt und den Kreislauf auf Erden in Gang hält. Alljährlich fasziniert diese Zeremonie einige hundert Schaulustige, darunter auch viele Kinder, die sich dieses lebendige Kulturgut nicht entgehen lassen wollen.

Der ursprünglich heidnische Brauch ist unter dem Einfluss der Kirche mit christlichen Symbolen ergänzt worden. Zunächst haben etwa 15 starke Vereinsmitglieder am Vortag des ersten Fastensonntages zwei Kerzen und ein Kreuz sowie das mannshohe Rad auf dem Vereinsgelände der Heimatfreunde an der Harteichhütte gewickelt. Unter den Zuschauern waren die Viertklässler der Grundschule Wadrill, schließlich war in den vergangenen Jahrzehnten das Erbsenrad im Unterricht stets ein beliebtes Thema gewesen.

Am Tag des Erbsenradlaufes werden zunächst die Kerzen, dann damit das Kreuz und mit dem Kreuz wiederum das große Rad angezündet. Zu den Klängen des Musikvereins Wadrill, der mit einem „Großer Gott, wir loben dich“ aufzeigt, wer Ursprung des Lebens ist, nimmt das brennende Erbsenrad seinen Lauf Richtung Wadrillbach, in dem er dann erlischt. Und mit dem gemeinsamen traditionellen Eieressen anschließend in der voll besetzten Wadrilltalhalle wurde auch die Geselligkeit mit den Schaulustigen gepflegt. Darunter befinden sich auch stets einige ehemalige Wadriller, die an diesem Abend den Weg ins Heimatdorf finden, um ihren Kindern und Enkeln das feurige Brauchtum zu zeigen.

Der Lauf des Erbsenrades ist seit seiner Wiedereinführung nach dem Ende des 2. Weltkrieges durch Fotos und Filme hervorragend dokumentiert:

Auf dem Weg zum Perscher Kopf in den 1950er Jahren
Wickeln des Rades in den frühen 1980er Jahren
Fackeln und Kreuz 1954
Das Erbsenrad auf dem Weg in den Wadrillbach 1954

Gehweiler

Auch in Gehweiler gab es eine Zeit lang- sicher schon in den 1930er Jahren – ein eigenes Erbsenrad – nach dem Weltkrieg parallel zu dem in Wadrill. Es lief noch bis 1974. Der folgende Zeitungsartikel stammt aus dem Nachlass des ehemaligen Bürgermeisters Müller aus Wadern. Leider gibt es keine Fotos von diesem Erbsenrad.

Der Erbsensonntag in Gehweiler

Der erste Fastensonntag hat im Waderner Hochwald sein eigenes Gepräge. Schon seine Bezeichnung „Der Erbsensonntag“ hebt ihn aus der Reihe seiner Kalendergenossen heraus. Der Tag gehört heute, äußerlich betrachtet, der Jugend, die an ihm, Gaben heischend, von Haus zu Haus zieht. Darüber hinaus aber stand der Erbsensonntag ehedem mitten im Leben der ganzen Dorfgemeinschaft. Denn an ihm lief einst das lebenspendende Feuerrad von den Hochwaldhöhen zu Tal. Dieser alte Brauch ist heute fast ganz erloschen. Nur im Orte Gehweiler bei Wadern lebt er noch zäh fort.

Bereits am Nachmittage beginnen die Vorbereitungen zu dem Fest. Während ein Teil des Jungvolkes Reisigbündel und Stroh auf den Berg hinaufschafft, richten andere das Feuerrad her, indem sie starke, mit leicht brennbaren Stoffen getränkte Strohseile um die Felgen und Speichen eines alten Wagenrades wickeln. Beim Eintritt der Dunkelheit zieht dann die Jugend hinaus. Sobald die Nacht sich auf das Wadrilltal senkt, flammt auf dem Berg (gemeint ist der Holländerkopf) der Holzstoß und sendet seine sprühende Funkensaat tief in die dunkle Nacht. Jetzt löst sich von ihm der Zug des Feuerrades, das, von zwei Burschen an einer Stange gelenkt, langsam seine glühende Furche in die Finsternis reißt. Auf beiden Seiten laufen Fackelträger, die mit ihren Leuchten flammende Kreise durch die Luft ziehen. Und weithin erschallt der alte Triumphgesang des alten Christentums: „Großer Gott, wir loben Dich.“

Drunten im Tal aber steht die harrende Menge und schaut gespannt nach dem Feuerrad aus, dessen greller Schein die Kornbreiten fruchtträchtig machen soll. Sobald der ganze Feuerzauber in der dunklen Nacht versunken ist, zieht das Jungvolk zum Wirtshaus, wo es in froher Runde die geheichten Eier und den Speck verzehrt. Aber auch die Alten spinnen bis spät ihr Garn und erzählen von den Unglücksjahren, da das Rad, auf seinem Laufe erloschen, halbwegs liegen blieb. Sie wissen zwar alle von ihren Altvätern, dass das Rad seit Jahrhunderten von den Hochwaldhöhen rollt, um den Erntesegen zu fördern. Doch seinen Ursprung kennt niemand.

Es liegt auf der Hand, dass die Entstehung des Brauches in die vorchristliche Zeit hinaufreicht. Seit dem frühesten Altertum wird bei den arische Völkern die Himmel rollende Sonne als ein feuriges Rad betrachtet. Die Geschichte hat dann das Rad dem Sonnengott selber als Sinnbild zugeteilt. Es ist sicherlich kein Zufall, dass gerade unsere Gegend, die das Feuerrad noch in lebendiger Übung hält, seine Abbildung schon aus der römischen Zeit kennt. ….

(An einigen Beispielen begründet Müller, dass die Tradition des Feuerrades nicht erst von den Römern stammt, sondern auf die Verehrung germanischer Gottheiten zurückgeht)

… In diesem alten Kulturkreis ist auch die Entstehung unseres Sonnenrades zu suchen, das schon seit Jahrtausenden, heute christlich umgestaltet, seinen Weg von den Hochwaldbergen nimmt. Sein Tag, der Erbsensonntag, fällt in seiner spürbaren Verbundenheit mit dem Kreislauf des Jahres in die Zeit, da der Frühling mit dem Winter ringt, und die Sonne als die Spenderin alles irdischen Lebens für das Menschenauge sichtbar wieder höher am Himmelszelt emporsteigt.

Namendeuter haben deshalb die Bezeichnung „Erbsensonntag“ mit dem germanischen Lichtgott Irmin zusammenbringen wollen. Doch sprachliche Gründe rauben, abgesehen von allem anderen, dieser Erklärung den Glauben. Die Sache erhält ein anderes Licht, wenn man hört, dass eine Hauptfastenmahlzeit des Mittelalters die Erbse war, die wohl am Erbsensonntag zum ersten Male ihre Herrschaft im Haushalt antrat. Hinter dieser Erklärung taucht eine andere Frage auf, ob die runde, gelbe, schon in die Steinzeit hinaufreichende Frucht nicht einst eine Kultspeise bildete, die in ihrer Form und Farbe ein Abbild des Sonnenballes, in kleinster Ausgabe darstellte? Diese Frage wird wohl nie gelöst werden können.

Jedenfalls erleben wir am Erbsensonntag in dem kleinen Hochwalddorf Gehweiler ein religiöses Schauspiel, das, aus den längst verschütteten tiefsten Tiefen unseres Volkstums quellend, von neuem die Urzeit in das Blickfeld des lebendigen Geschlechts rückt.

SVZ (Saarl. Volkszeitung) vom 27.2.1952 (Nr. 48)

Reidelbach

Einige Reidelbacher behaupten, selbst in dem kleinen Reidelbach sei einige Male ein Erbsenrad gelaufen. Es sei von Gerhard Clasen initiert worden, der aus Wadrill stammte. Das Rad sei mindestens zweimal vom Molterkopf in den „Schlauch“ (heute Kläranlage) gelaufen, erinnert sich Renate Schneider-Marmit 2020. Helmut Huy, Helmut Dewald u.a. seien dabei gewesen. Das müsse vor 1960 gewesen sein.

Andere Reidelbacher sagen hingegen, dass das Wadriller Rad ein paar Mal vom Perscher Kopf nicht in Richtung Wadrillbach, sondern in Richtung Seelbach – also in die umgekehrte Richtung – gelaufen sei.