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Wadriller Gehöferschaft immaterielles Kulturerbe des Saarlandes und Deutschlands

Saarbrücker Zeitung vom 16.12.2024

Gehöferschaft Wadrill seit 2022 Immaterielles Kulturerbe des Saarlandes

Wadrilltal · 2022 ist die Gehöferschaft Wadrill als Immaterielles Kulturerbes des Saarlandes ausgezeichnet worden. Doch was macht sie überhaupt? 

Kultusministerin Christine Streicher-Clivot (Dritte von rechts) überreichte am 17.5.2024 an den Vorsitzenden Leo Clasen im Beisein von Mitgliedern der Gehöferschaft sowie der Geschichtswerkstatt Wadrilltal die Ehrenurkunde. (Foto Oliver Dietze)

Von Erich Brücker

Auf Antrag des Vereins Geschichtswerkstatt Wadrilltal wurde die Gehöferschaft Wadrill vor zwei Jahren in das erstmals erstellte saarländische Landesverzeichnis aufgenommen. Damit hatte die Initiative von Albert Räsch, Vorsitzender der Geschichtswerkstatt, und Gehöferschaftsvorsteher Leo Clasen beim Ministerium für Bildung und Kultur, das sich an der Umsetzung der Unesco-Konvention zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beteiligt, Erfolg.

Aufnahme in Liste Immateriellen Kulturerbes ist Wertschätzung der Arbeit und der Traditionspflege

Die Aufnahme in diese Liste ist nicht mit einer finanziellen Zuwendung verbunden, soll vielmehr die öffentliche Wahrnehmung fördern, Aufmerksamkeit schaffen, aber auch eine Würdigung des Brauchtums und der Tradition sein. Die Gehöferschaft Wadrill ist eine traditionelle Niederwaldgenossenschaft, auch scherzhaft „Aktiengesellschaft der kleinen Leute“ genannt, Ihr Zweck ist die gemeinschaftliche Verwaltung, Bewirtschaftung und Nutzung ihres ungeteilten, ideellen Waldgrundbesitzes. Anders ausgedrückt: Die Mitglieder besitzen ideelle Eigentumsanteile an der gesamten zu bewirtschaftenden Niederwaldfläche und ziehen ihren Nutzen zum Beispiel in Form von Brennholz daraus.

Das Unesco-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturgutes ist im Saarland umgesetzt worden, um das Bewusstsein für die kulturelle Vielfalt und den kulturellen Reichtum unseres Landes anzuerkennen und das Bewusstsein dafür stärker in der Bevölkerung zu verankern. Zudem prägt ein Immaterielles Kulturgut das gesellschaftliche Zusammenleben und leistet einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung. Die Wadriller Gehöferschaft entspricht genau diesen Vorgaben. „Für unsere Gehöferschaft ist die Aufnahme in die Liste der Immateriellen Kulturgüter eine Wertschätzung unserer Arbeit und unserer Traditionspflege ebenso wie um die Erhaltung dieses Brauchtums“, betont Gehöferschaftsvorsteher Clasen. Jetzt bestehe sogar noch die Möglichkeit, dass die Geschichte der Gehöferschaft in die bundesweite Liste dieser Kulturgüter aufgenommen werden könne.

Wadriller Gehöferschaft kämpft gegen Waldschäden

Die Wadriller Gehöferschaft ist heute der Zusammenschluss von derzeit 121 Miteigentümern (Gehöfer), die ihren gemeinschaftlichen Grundbesitz (325 Hektar), der aus Lohhecken, Mittel- und Jungkulturen sowie dem Anteil an der Jungviehalm besteht, verwalten, bewirtschaften und nutzen. Die klassische Form der Niederwald-Bewirtschaftung mit temporärem Kahlschlag und Naturverjüngung wurde im Sinne einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Bewirtschaftung angepasst. Durch Käferbefall betroffene Bestände werden aufgearbeitet, große Anstrengungen gibt es bei der Verjüngung der Waldbestände, also dem Bestreben, Fichtenbestände durch geeignetere und klimaresistentere Baumarten ersetzt. Kahlschläge werden durch gezielte Durchforstung abgelöst, nicht mehr benötigte Niederwaldflächen umgewandelt in Hochwald mit gemischter Bestockung.

Die Zusammenarbeit mit den Jagdpächtern funktioniert nach Einschätzung aller Beteiligten tadellos, im laufenden Jahr wurde erstmals ein gemeinsames Wildschadensmonitoring erhoben, das jährlich erweitert und aktualisiert werden wird. Der Übergang der Besitzanteile von einer Generation auf die nächste gelingt geräuschlos. Oberstes Organ in der Selbstverwaltung ist die Mitgliederversammlung, deren Aufgaben im Saarländischen Gehöferschaftsgesetz geregelt sind. Die Geschäftsführung obliegt dem Vorstand, der alle vier Jahre gewählt wird und aus dem Gehöferschaftsvorsteher und sechs Beisitzern besteht. Im Sinne ihres Zwecks und seiner Satzung können nur Mitglieder Einfluss auf die Entscheidungen nehmen und Nutzen aus dem gemeinsamen Eigentum ziehen. Darüber hinaus profitiert die Allgemeinheit von der nachhaltigen Nutzung und Pflege der Wälder und Waldwege durch die Gehöferschaft.

Am 26. März wurde die Gehöferschaft auch in die Liste des Immateriellen Erbes Deutschlands aufgenommen. Die Stadt Wadern und Alex Marmitt, der Ortsvorsteher von Wadrilltal, würdigten diese besondere Auszeichnung im Amtsblatt vom 3. April 2025.